Wickie meets Heidi

Wickie meets Heidi

 

„Kinder sind heute vom ersten Lebenstag an von Medien umgeben“ (Anfang/Demmler 2010, 47). Durch die permanente Medienpräsenz, wird ihre Bedeutung im Alltag der Kinder immer größer (vgl. Fritz et al. 2003, S. 7). Kinder brauchen Geschichten, die sie in ihrer Entwicklung unterstützen. Diese Geschichten werden durch die steigende Medienvielfalt durch immer vielfältigere mediale Kanäle vermittelt. Mediengeschichten „vermitteln symbolisch zentrale menschliche Grunderfahrungen und moralische Orientierungen“ (Neuß 2012, S. 35). Das ist für die Kinder bedeutsam, da sie so das Gefühl bekommen mit den Themen, die sie beschäftigen, nicht allein zu sein. (vgl. Neuß 2012, S. 34) Die Themen, die für Kinder aktuell und bedeutsam sind, werden auch handlungsleitende Themen genannt. Dazu gehören Themen wie „Kleinsein und Großwerden“, „Gerechtigkeit und Moral“ oder die„Geschlechtlichkeit“: es sind entwicklungs-, alters- oder auch geschlechtsbedingte Themen, mit denen sich Kinder intensiv beschäftigen.

Die Auseinandersetzung mit handlungsleitenden Themen findet auch durch Medien statt. Dabei spielen Medienhelden eine wichtige Rolle. Die Figuren bieten den Kindern Anknüpfungspunkte zu Themen, die für sie aktuell relevant sind. Entsprehcend werden Medienhelden für Kinder auch zu Identifikationsfiguren, die ihnen Hilfestellung geben, sich im Leben zu orientieren. (vgl. Neuß 2012, S. 28ff; Wieler 2000, S. 206f.)

Aufgrund der Bedeutung die Medienfiguren für Kinder haben können, haben wir im Rahmen des Seminars ein Projekt zum Thema Medienhelden entwickelt. Im Folgenden soll dieses Medienprojekt mit dem Titel „Wickie meets Heidi“ dargestellt und näher erläutert werden.

 

Projektdarstellung: Wickie meets Heidi

Im Medienprojekt Wickie meets Heidi produzieren Kinder im Grundschulalter gemeinsam mit ihren Eltern einen Trickfilm und setzen sich dabei aktiv mit Medien auseinander. Bei der Produktion von Trickfilmen haben die Teilnehmer nicht nur Spaß, sondern erweitern auch ihre Medienkompetenz. (vgl. Schäfer/Wagner 2007, S. 63): „Medienkompetenz ist die Fähigkeit, Medien und ihre Produkte kritisch zu analysieren, Medien zielführend und inhaltsbezogen zu nutzen sowie mit Medien kreativ-gestalterisch zu arbeiten.“ (Brostnar et al. 2008, S. 234)

 

1. Projektinformationen

Das Projekt richtet sich an Kinder im Alter von sieben bis zehn Jahren mit jeweils einem Elternteil. Dieses Alter empfiehlt sich, da sich die Kinder beim Erstellen eines Trickfilms über einen längeren Zeitraum konzentrieren müssen, was jüngere Kinder in der Regel zu sehr herausfordert. (vgl. Stang et al. 2013, S. 11) Die Altersspanne zwischen den einzelnen teilnehmenden Kindern sollte nicht zu groß sein, damit sie über ähnliche Interessen und Kompetenzen verfügen und sich entsprechend bei der Entwicklung und Durchführung des Projektes besser verständigen können. (vgl. Textor 2011)

Die Teilnahme der Eltern am Medienprojekt bietet die Möglichkeit für Eltern und Kinder, gemeinsam Zeit miteinander zu verbringen. Dies ist gerade in unserer heutigen Gesellschaft von größter Bedeutung, da in Vollzeit berufstätige Eltern laut der FIM-Studie durchschnittlich nur 156 Minuten am Tag mit ihren Kindern verbringen (vgl. Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest 2012, S. 15).

Die Produktion der Trickfilme im Medienprojekt Wickie meets Heidi findet in Kleingruppen statt, die sich aus maximal sechs Personen (Kinder mit ihren Eltern) zusammensetzen. Jede Gruppe sollte von einer Fachkraft betreut werden. Die Anzahl der Kleingruppen ist damit abhängig von den Kapazitäten der Bibliothek, in der das Medienprojekt durchgeführt wird. Das Personal der Bibliothek sollte sich vor dem Projekt mit der Trickfilmarbeit auseinandergesetzt haben. Dafür besteht die Möglichkeit, eine Infoveranstaltung über Trickfilmarbeit in Bibliotheken, beispielsweise bei der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg, zu besuchen (vgl. Stang et al. 2013, S. 9).

 

2. Projektablauf

Angesetzt ist das Medienprojekt für zwei Tage in den Schulferien. Dieses findet für jeweils vier Stunden in den Räumlichkeiten der Bibliothek statt. Die Zeitspanne eignet sich für das Projekt, da sich Kinder im Grundschulalter, mit nur kurzen Pausen, über die gesamte Länge konzentrieren können.  (vgl. Stang et al. 2013, S. 22) „Beträgt die Projektdauer z.B. nur wenige Stunden bietet es sich an, Filmgeschichten bzw. Ideen/Handlungen vorzubereiten“ (Stang et al. 2013, S. 12). Aus diesem Grund bezieht sich das Projekt auf die Medienhelden Wickie und Heidi. Die genannten Figuren wurden dafür gewählt, da beide Fernsehserien bereits seit den 70er-Jahren ausgestrahlt werden und somit Eltern und Kindern bekannt sind. (vgl. Mertens 2012, S. 42)

Um die Ideenfindung der Kinder und Eltern zu Beginn anzuregen, könnte folgende einleitende Geschichte in Form einer Flaschenpost vorgetragen werden:

Hallo du,

mein Name ist Heidi und ich wohne in den Bergen. Ich schreibe dir, weil der Ziegenpeter gerade keine Zeit hat. Mir ist langweilig und ich möchte mal wieder ein richtiges Abenteuer erleben. Hast du Lust? Dann schreib mir. Almhütte 1, oben auf dem Berg.

Liebe Grüße
Deine Heidi

 

Aufgabe der Kleingruppen ist es nun, sich ein Treffen zwischen den beiden Medienhelden auszumalen. Die Fachkräfte unterstützen die Teilnehmenden bei der Ideenfindung durch Impulse und Fragen. Anschließend werden Kulissen und Figuren gebastelt, der Trickfilm hergestellt und vor allen Teilnehmenden präsentiert. Zum Erstellen des Filmes kann dann die Legetricktechnik angewendet werden. Dabei werden die gebastelten Objekte schrittweise auf der Fläche bewegt und jeweils fotografiert. Die Fotos werden daraufhin z.B. mit der StopMotion-Freeware MonkeyJam in einen animierten Filmclip umgewandelt. Diese „kann einfach kontrolliert werden und ist deshalb auch gut für die Arbeit mit Kindern und damit für Trickfilmeinsteiger geeignet“ (Stang et al. 2013, S. 8). Das Landesmedienzentrum Baden-Württemberg hat  einen Trickfilmkoffer mit allen benötigten Materialien entwickelt (vgl. Stang et al. 2013, S. 5ff). Der Koffer kann in Baden-Württemberg in zahlreichen Medienzentren ausgeliehen werden. Möglich ist aber auch die Trickfilmproduktion mit Hilfe von Tablets, hier eignet sich z.B. die App Stop Motion Studio.

 

3. Medien und Material

Neben dem Trickfilmkoffer sind weitere Materialien für die Umsetzung des Projektes erforderlich. Hierzu gehören beispielsweise verschiedene Bastelmaterialien, Wickie- und Heidibücher zur Ideenentwicklung.

 

4. Ziele und Intentionen des Projekts

Das Medienprojekt wurde für die Umsetzung in einer Bibliothek konzipiert, da diese häufig von der ganzen Familie besucht wird. Die Trickfilmarbeit erweitert das medienpädagogische Angebot der Bibliothek und spricht damit möglicherweise einen größeren Personenkreis an. Die vorhandene Büchervielfalt unterstützt die Teilnehmenden bei der Ideenfindung. Die Produktion eines Trickfilms spricht Kinder in besonderer Weise an und hilft ihnen zudem bei der Reflexion und Verarbeitung ihres Medienalltags. (vgl. Stang et al. 2013, S. 3ff)

Kinder begegnen und nutzen eine Vielfalt an Medien. Aus diesem Grund ist es wichtig, sie im Umgang mit Medien zu unterstützten und die Entwicklung von Medienkompetenz zu fördern. (vgl. Anfang/Demmler 2010, S.47; Tillmann/Schuegraf 2011, S.21) „Kinder wollen verstehen, wie Medien funktionieren. In Kindergarten und Schule können sie einerseits erfahren, wie bestimmte Medien zu bedienen sind, andererseits aber auch, wie Medien gemacht sind und wie sie zusammenhängen.“ (Anfang/Demmler 2010, S. 50)

Das Projekt Wickie meets Heidi hat das Potenzial sowohl Jungen als auch Mädchen anzusprechen, da die beiden Medienhelden nicht eindeutig einem Geschlecht zuzuordnen sind. So zeigt die IZI-Studie, dass ein Viertel der befragten Mädchen Wickie als Mädchen und nicht als Jungen sehen. (vgl. Götz 2013, S.43) Die Darstellung von Heidi hat sich ebenfalls gewandelt. So erscheint sie auf dem Filmplakat des aktuellen Kinofilmes 2015 durch ihren Kurzhaarschnitt und ihren Kleidungsstil eher jungenhaft. Somit können sich sowohl Jungen als auch Mädchen gleichermaßen mit beiden Figuren identifizieren. Damit werden genderbezogene Stereotype in Frage gestellt, die im Rahmen des Projektes entsprechend thematisiert und hinterfragt werden können – passend dazu ist das Rollenverhalten eines der handlungsleitenden Themen von Kindern im Alter zwischen sechs und elf Jahren (vgl. Neuß 2012, S. 29).

Das gesamte Medienprojekt Wickie meets Heidi fördert die selbständige, kompetente und kreative Auseinandersetzung mit dem Medium Trickfilm. Durch die gemeinsame Arbeit von  Jungen, Mädchen und ihren Eltern wird dieses zu einem Gemeinschaftsprojekt, das dieMedienkompetenz aller Teilnehmenden weiterentwickelt. (vgl. Stang et al. 2013, S. 2)

Der sonst häufig eher auf die Rezeption von Medien reduzierte Nutzung von Medien durch Kinder wird mithilfe des Medienprojektes entgegengewirkt. Sie können sich aktiv in die Gestaltung einbringen und durch das Erzählen ihrer eigenen aus der Phantasie entstandenen Geschichte schöpferisch tätig werden. Außerdem wird den Kindern mit dem Projekt ermöglicht, sich mithilfe der Medien zu artikulieren und so möglicherweise handlungsleitende Themen zum Ausdruck zu bringen.

 

Literatur

Anfang, G./Demmler, K. (2010): Ganzheitlichkeit als Grundprinzip der Medienpädagogik. In: Lutz, K./ Struckmeyer, K. (Hrsg.): Erzählkultur. Sprachkompetenzförderung durch aktive Medienarbeit. München: kopaed, S.47-53.

Borstnar, N./Pabst, E./Wulff, H.-J. (2008): Einführung in die Film- und Fernsehwissenschaft. 2. überarbeitete Auflage. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft mbH.

Demmler, K. (2008): Medienpädagogische Projekte im Kindergarten am Beispiel des Projektes „Auf den Spuren von Händels Wassermusik“. München: Deutsches Jugendinstitut e.V.

Fritz, K./Sting, S./Vollbrecht, R. (Hrsg.) (2003): Mediensozialisation. Pädagogische Perspektiven des Aufwachsens in Medienwelten. Opladen: Leske+Budrich.

Götz, M. (2013): Wickie- Junge oder Mädchen?. Kinder auf repräsentativem Niveau befragt. In: TelevIZIon, 26/2013/2, S. 43.

Lauffer, J./Röllecke, R. (2011): Gender und Medien – der kleine und der feine Unterschied. In: Lauffer, J./Röllecke, R. (Hrsg.): Dieter Baacke Preis – Handbuch 6. Gender und Medien. Schwerpunkt: Medienarbeit mit Jungen. München: kopaed, S.11-17.

Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (2012): FIM 2011. Familie, Interaktion & Medien. Untersuchung zur Kommunikation und Mediennutzung in Familien. Stuttgart: mpfs.

Mertens, E. (2012): Mehr als „nur“ Manga und Anime. Geschichte, Verlage, Künstler und Fernsehsender. Die Manga- und Animeszene stellt sich vor. Band 2. Hamburg: Diplomica.

Neuß, N. (2012): Kinder & Medien. Was Erwachsene wissen sollten. Seelze: Klett/Kallmeyer.

Schäfer, K./Wagner, K. (2007): Die Trickbox. Ein Leitfaden für die Praxis. Düsseldorf: Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM).

Stang, R./Strohmaier, T./König, T. (2013): Trickfilmarbeit in Bibliotheken. Eine Handreichung für die Praxis. Stuttgart: Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK).