Kommentar: Wir sind Teil des Wandels und der Gegenwart

von Valentin Sapel

„Meiden Sie digitale Medien. Sie machen […] tatsächlich dick, dumm, aggressiv, einsam, krank und unglücklich.“, schreibt Manfred Spitzer in seinem populärwissenschaftlichen Buch Digitale Demenz. Doch ist das wahr, oder werden durch solche Aussagen nur Ängste besorgter Eltern und Pädagog*innen bedient? Einige Thesen, die Spitzer in seinem Buch aufstellt, mögen berechtigt sein. Aber als Populist bedient er auch ganz bewust Vorurteile und Ängste von Eltern. Seine Leserinnen und Leser sind von seinen zwei Doktortiteln beeindruckt und glauben, was er schreibt. Mit wissenschaftlichen Standards und eindeutigen Belegen für seine Aussagen nimmt er es allerdings nicht so genau. Einige seiner Thesen sind höchst sepkulativ und an den Haaren herbeigezogen. So müssen als Beleg für seine These, dass durch die Verwendung von digitalen Navigationsgeräten unsere grauen Zellen verkümmern, die Taxifahrer Londons herhalten. Ihrer guten Ortskenntnis verdanken sie einen vergrößerten Hippocampus, also den Teil des Gehirns, in welchem sich die „Ortszellen“ befinden. Wie die Benutzung bestimmter Hirnareale dazu führt, dass sie wachsen, belegt Spitzer in seinem Buch Digitale Demenz mit briefmarkengroßen Bildern.

In vielen Punkten scheint die Hirnforschung nicht so weit, wie Spitzer gerne suggeriert. So lassen sich Untersuchungen mit Tieren, auf die er verweist, zu 90% nicht auf Menschen anwenden. (vgl. hierzu u.a. www.aerzte-gegen-tierversuche.de)

Aber was sollen wir tun? Wie können wir unsere Kinder mit ihren Smartphones, und was es noch so alles gibt, alleine lassen ohne uns um sie sorgen zu müssen? Zunächst einmal müssen wir uns die Frage gefallen lassen, warum wir unsere Kinder denn alleine mit diesen Geräten lassen wollen. Sind nicht wir es, die ihre Kinder nicht vor dem Fernseher parken wollen? Also sollten wir sie auch nicht vor dem Smartphone oder Tablet parken!

Die Frage, wie wir unseren Kindern einen Umgang mit digitalen Medien vermitteln können, ist nicht so schwer zu beantworten, wie es scheint. Wieso machen wir es nicht genau so wie mit allen anderen Dingen, die ihre guten und schlechten Seiten haben, also mit beinahe allen Dingen, die wir nutzen und die es gibt? Niemand würde auf die Idee kommen Messer zu verbieten. Menschen können sich und andere mit Messern verletzt – unbeabsichtigt oder auch beabsichtigt. Bei einem sachgemäßen Umgang überwiegen jedoch die positiven Eigenschaften des Messers, die unseren Alltag erleichtern.

Wichtig ist sich vor Augen zu führen, dass auch Erwachsene in Sachen digitale Medien noch viel Nachholbedarf haben. Eine Möglichkeit, die wir haben, ist daher gemeinsam mit unseren Kindern neue Geräte zu entdecken.

Damit dies möglich ist, dürfen wir uns dem Fortschitt aber nicht verschließen. Auch wir müssen lernen, was mit Smartphones alles möglich ist und wo Gefahren lauern. Es ist unsere Aufgabe mit gutem Beispiel voranzugehen. Wenn wir nicht von unserem Laptop aufsehen, wenn unsere Kinder mit uns reden, oder wenn wir das Handy, wenn es vibriert, nicht in der Tasche lassen können, wenn wir mit unseren Kindern unterwegs sind, dann werden sie es aller Voraussicht nach auch nicht anders machen. Dies soll nicht bedeuten, dass wir das Smartphone verstecken und seine Existenz leugnen sollten. Wir müssen unseren Kindern aber zeigen, dass wir das Telefon auch mal ausmachen und uns voll und ganz ihnen oder anderen Dingen widmen können.

Und was wir nicht vorleben können, müssen wir lernen nachzuvollziehen. Das Smartphone ist für uns zwar kein ständiger Begleiter seit unserer Kindheit, dennoch sind Handys inzwischen auch für uns zu ständigen Begleitern unseres Alltags geworden. Wir können uns nicht die Vergangenheit zurückwünschen oder die Gegenwart verteufeln. Wir müssen lernen mit dem Wandel zu leben, mit ihm umzugehen. Wir sind Teil des Wandels und Teil der Gegenwart. Es liegt an uns die Zukunft mitzugestalten. Dies geht viel besser, wenn wir uns ihr gegenüber öffnen und nicht ständig darauf beharren, dass früher alles besser war.

Wenn wir mit gutem Beispiel vorangehen, und das bedeutet nicht darauf zu beharren, dass wir alles wissen und können, sondern offen sind und mit unseren Kindern entdecken, wie Dinge funktionieren, dann haben wir die Möglichkeit eine Generation so zu begleiten, dass sie die Chance hat, kritisch mit sich und ihrem sich wandelnden Umfeld umzugehen und diesen Wandel auch mitzubestimmen.