Wir sprechen App
Eine Idee von Student:innen aus dem Wintersemester 2015/2016
Im Jahr 2015 flüchteten etwa 94.000 Kinder im Krippen- und Kindergartenalter nach Deutschland. Die CDU/CSU fordert eine Integrationspflicht für alle Menschen, die nach Deutschland kommen – angeeignet werden sollen sich die deutsche Sprache, aber auch Werte und Regeln (vgl. Diekmann et al. 2015). Dadurch sollen Differenzen aufgehoben werden. Dem gegenüber steht die Interkulturelle Pädagogik, die ein gemeinsames Lernen verfolgt und auf die Identitäten der Kinder eingehen und diese bewusst machen will. Während die Ausländerpädagogik defizitorientiert und stigmatisierend ist, fördert die interkulturelle Pädagogik Werthaltungen, wie Respekt und Toleranz zwischen ethnischen Gruppen und fordert die Wertschätzung und Ausbildung individueller Identität. Dies kann für den Einzelnen ein Weg zu Selbstbewusstsein und der Ausbildung einer eigenständigen Persönlichkeit sein (vgl. Diehm 2008, S.203ff). Ausgehend von diesen Grundsätzen der interkulturellen Pädagogik haben wir ein Projekt entwickelt.
Rahmenbedingungen des Projektes
Das Buch Die kleine Raupe Nimmersatt von Eric Carle, welches in verschiedenen Sprachen erhältlich ist, eignet sich für unser Projekt besonders gut, da der Handlungsverlauf mit einfachen Sätzen, Wiederholungen, Alltagsbegriffen und begleitenden Bildern leicht verständlich ist.
Das Projekt soll in der Stadtbibliothek Ludwigsburg stattfinden. Da es ein Projekt ist, das sich an eine Gruppe von Teilnehmer_innen richtet, die sich vorab für das Projekt angemeldet haben, sollte es in einem extra für die Teilnehmer_innen reservierten Raum der Bibliothek durchgeführt werden. Das Projekt ist auf etwa zwei Stunden angesetzt, dafür bietet sich beispielsweise ein Nachmittag an. Für das Projekt ist sowohl eine deutsch sprechende, als auch eine arabisch sprechende pädagogische Fachkraft vorgesehen. Außerdem werden etwa fünf Tablets und Verkleidungsmaterialien, die zum Buch passen, für das Projekt benötigt. Das Projekt ist für Kinder im Vorschulalter gedacht, da wir davon ausgehen, dass es für Kinder ab diesem Alter gut möglich ist alleine mit fremden Fachkräften und anderen Kindern ein Projekt umzusetzen. Nach den Erfahrungen, die wir bisher in der Praxis machen konnten, kann sich diese Altersgruppe selbstständig über einen längeren Zeitraum mit einem Thema beschäftigen. Das Projekt ist für maximal acht Kinder gedacht, da sich Kinder wahrscheinlich in einer kleinen Gruppe eher trauen zu sprechen. Gleichzeitig kann in einer kleineren Gruppe auf jedes Kind individuell eingegangen werden.
Durchführung des Projektes
Im Folgenden wird der Ablauf des Projektes beschrieben. Die Kinder sitzen mit beiden Erwachsenen in einem großen Kreis zusammen. Gemeinsam wird das Buch Die kleine Raupe Nimmersatt betrachtet. Erst wird eine Seite auf Deutsch und anschließend die gleiche Seite auf Arabisch vorgelesen. Durch das Vorlesen in ihrer Sprache erfahren die Kinder Anerkennung, welche wichtig für ihre Identitätsentwicklung ist, da ihre Sprache wertgeschätzt wird. Dies hilft in der Begegnung mit der neuen Kultur (vgl. Posch-Bleyer 2007).
Ist das Buch vorgelesen, stellen die Erwachsenen Fragen an die Kinder. Diese Fragen sind ein Impuls für die anschließende Aufgabe mit dem Tablet. Beispiele für diese Fragen sind: Was fandet ihr in der Geschichte besonders gut? An was erinnert ihr euch? Was war euer Lieblingsteil von Die kleine Raupe Nimmersatt? Was hat euch vielleicht nicht so gefallen?
Nun sollen die Kinder eine Szene zum Thema Die kleine Raupe Nimmersatt auf dem Tablet mit der App explain everything darstellen. Zusätzlich werden ihnen Materialien zum Verkleiden zur Verfügung gestellt. Die App wird vorgestellt, wobei die Symbole für die Kinder selbsterklärend und einfach zu verstehen sind; nähere Informationen zu der App finden Sie u.a. hier. Anschließend können die Kinder verschiedene Funktionen der App ausprobieren. Sie können beispielsweise fotografieren, filmen oder zeichnen und den Verlauf ihrer Zeichnungen aufnehmen.
Je zwei Kinder bekommen ein Tablet, dabei wäre es nach unserer Vorstellung gut, wenn je ein deutsches und ein arabisches Kind zusammenkommen und sich so kennen lernen können. Während des gesamten Angebotes sollen die Erwachsenen für Fragen der Kinder zur Verfügung stehen und gegebenenfalls unterstützen.
Am Ende des Angebotes ist es den Kindern frei gestellt, ob sie ihre Werke in der Gruppe den anderen Kindern vorstellen möchten oder nicht.
Pädagogische Einordnung des Projektes
Ideen der interkulturellen Pädagogik, wie das gemeinsame Lernen, können mit dem Tablet umgesetzt werden. Durch das gemeinsame Herstellen eines Medienproduktes wird Kommunikation nötig. Dabei dient das Tablet dazu, Sprachbarrieren zu überwinden. Die Kinder können sich hier beim Verstehen der Zusammenhänge unterstützen und die vorgegebene Aufgabe gemeinsam bewältigen. Dies zeigen auch unsere Erfahrungen aus Kindertageseinrichtungen.
Das Besondere an dem Medium Tablet ist seine mobile Multifunktionalität, die einfache Handhabung und die lange Akkulaufzeit. Ferner sind Tablets leicht, relativ robust und somit für Projekte mit Kindern geeignet (vgl. Roboom 2015, S.171 – 183).
„Medienprojekte sind Teamarbeit und Teamarbeit beginnt mit dem Dialog. In Medienprojekten können Kinder damit vertraut werden, mit anderen Kindern sprachlich zu kooperieren und lernen, aufmerksam zuzuhören, was andere bereits gesagt haben, und wo sie sich auf die Aussage eines anderen Kindes beziehen können. Vorschulkinder zeigen bereits ein spürbares Vergnügen daran, sich im Austausch mit anderen über ihre Vorstellungen und Ideen, ihr Wissen und ihr Können zu verständigen und gegenseitig zu inspirieren“ (Best 2010, S. 57).
Kinder begreifen nach Pestalozzi die Welt ganzheitlich. Er hat den Begriff der Ganzheitlichkeit geprägt und geht davon aus, dass Kinder mit Kopf, Herz und Hand lernen. Daher sollten beim Lernen alle Sinne angesprochen werden. In unserem Projekt wird der visuelle Sinn durch das Anschauen des Bilderbuchs und der App auf dem Tablet, sowie durch das Betrachten der eigenen Fotos und Bilder angesprochen. Durch das Anhören der Geschichte und der Kommunikation miteinander, werden die Kinder auditiv gefordert. Der taktile Sinn wird durch die Bedienung des Tablets und das Verkleiden angesprochen (Anfang und Demmler 2010, S.47ff). Ganzheitliches Lernen bedeutet auch Lernen mit dem Körper als Werkzeug. Sprache wird hier mit dem Darstellen einer Szene bzw. eines Begriffs verknüpft. Dadurch können Begriffe vom Kind besser verinnerlicht werden (Konrad et al 2008, S.36).
Neben der Auseinandersetzung mit dem Medium ist es in medienpädagogischen Projekten für Kinder möglich schöpferisch tätig zu sein, indem sie ihr eigenes Medienprodukt gestalten. Durch die Interaktion und Kommunikation untereinander lernen die Kinder sich kreativ und sprachlich auszudrücken und können von- und miteinander lernen. Dabei haben sie die Möglichkeit sich selbst mitzuteilen und eigene Sichtweisen darzustellen. Durch das Präsentieren der Werke und Ideen entwickeln die Kinder (Sprach-)Selbstbewusstsein und erleben Selbstwirksamkeit, dies unterstützt die Ausbildung einer kulturellen Identität (Anfang und Demmler 2010, S.47ff).
Literatur
Anfang, G./ Demmler, K. (2010): Ganzheitlichkeit als Grundprinzip der Medienpädagogik. In: Lutz, K./ Struckmeyer, K. (Hrsg.) (2010): Erzählkultur. Sprachkompetenzförderung durch aktive Medienarbeit. München. Kopaed. S.47-53.
Best, P. (2010): „Dann müsst ihr die CD feuern“ Wieviel Sprache steckt in aktiver Medienarbeit?. In: Lutz, K./ Struckmeyer, K. (Hrsg.) (2010): Erzählkultur. Sprachkompetenzförderung durch aktive Medienarbeit. München. Kopaed. S.55 – 63.
Cordes, S. (o. A.): Sprachförderung in Kindertagesstätten. http://www.kindergartenpaedagogik.de/2183.html. (Aufgerufen am 05.01.2016).
Diehm, I. (2008): Pädagogik der frühen Kindheit in der Einwanderungsgesellschaft. In: Thole, W. et al. (Hrsg) (2008): Bildung und Kindheit. Pädagogik der frühen Kindheit in Wissenschaft und Lehre. Opladen & Farmington Hills. Verlag Barbara Budrich. S.203 – 211.
Diekmann F., Klovert, H., Kwasniewski, N., Reimann, A. (2015): Integration von Flüchtlingen. So schafft Deutschland das. http://www.spiegel.de/politik/deutschland/fluechtlinge-in-deutschland-die-grosse-aufgabe-der-integration-a-1069830-druck.html. (Aufgerufen am 31.12.15).
Konrad, F./ Schultheis, K. (2008): Wie Kinder lernen – Lernvoraussetzungen und Erfahrungsformen von Kindern. In: Dies.: Kindheit. Eine pädagogische Einführung. Stuttgart. Verlag Kohlhammer. S.23 – 41.
Posch-Bleyer, E. (2007): Wie lernen Kinder Empathie? Elementare Strategien zur Prävention von Vorurteilsbildung bei Kindern und Jugendlichen. In: Pelinka, A./ König, I. (Hrsg.) (2007): Vorurteile in der Kindheit. Ursache und Gegenstrategien. Wien. Verlag Braumüller. S.29-35.
Roboom, S./ Eder, S. (2015): Tablets im Kindergarten – mobil und funktional?! In: Friedrich, K. et al (Hrsg.) (2015): smart und mobil. Digitale Kommunikation als Herausforderung für Bildung, Pädagogik und Politik. München. Kopaed. S.171 –183.
Schubert, K./ Klein, M. (2011): Das Politiklexikon. 5. aktualisierte Auflage. Bonn. Dietz.