Wie plane ich ein Projekt

Wie plane ich ein Projekt

Während wir einen Freundeskreis besucht haben, der sich für geflüchtete Menschen im Raum Stuttgart engagiert, wurde an unsere Seminargruppe im Rahmen des Studiengangs Frühkindliche Bildung und Erziehung der Wunsch herangetragen, ein konkretes Projekt für Kinder unterschiedlichen Alters und Geschlechts, unterschiedlicher Nationalität und Religion zu planen. Da wir jedoch im Sinne der Reggio-Pädagogik „das Kind als ‚aktiven Gestalter seiner Entwicklung‘“ verstehen, sind wir der Überzeugung, dass ein Projekt gemeinsam mit den Kindern geplant, erarbeitet und umgesetzt werden sollte (Knauf 2003).

Ein Projekt sollte sich immer an den individuellen Bedürfnissen und Interessen der Kinder orientieren (vgl. Brockschnieder/Ullrich 2009, S.70). Entsprechend verstehen wir das im Folgenden vorgestellte Projekt als ein Grundgerüst, welches an den individuellen Rahmenbedingungen vor Ort angepasst und in den Kontext des Freundeskreises eingebettet werden muss. Dieses Grundgerüst lässt sich auf weitere Projektthemen übertragen, mit denen die jeweils aktuellen Interessen der Kinder aufgegriffen werden, entsprechend können also genauso andere Instrumente oder auch Tiere Thema sein.

Mit dem Projekt ‚Musikinstrument: Gitarre kennen lernen und selbst basteln‘ wollen wir unser Grundgerüst bzgl. der Planung und Umsetzung eines Projekts veranschaulichen. Wird die von uns im Folgenden dargestellte, sehr konkrete Idee für den Projektstart übernommen, sollte das Projekt im weiteren Verlauf auf jeden Fall immer wieder an die Interessen der Kinder und ihre individuelle Auseinandersetzung mit den Materialien angepasst werden.

Ziel dieses Projekts ist es primär in einen sprachlichen Austausch mit den Kindern zu kommen, um ihren Spracherwerb aktiv begleiten zu können. Ausgelöst wird dieser Austausch über den Bau eines eigenen Musikinstruments. Während des Baus findet eine aktive, sinnliche Auseinandersetzung mit dem Instrument statt, das hier – wie oben bereits erwähnt – als ein exemplarischer Gegenstand zu verstehen ist. Das Instrument wird aktiv erfahren und begriffen; das ist insofern von zentraler Bedeutung, als dass sich der Erwerb von Sprache nicht in der Aneignung von Regeln zur Aussprache, Wort- und Satzbildung erschöpft. „So lernen Kinder nicht einfach Wörter oder Phrasen auswendig, die ihnen präsentiert werden, sondern sie machen im sinnlichen Begreifen und im kommunikativen Umgang mit der sie umgebenden Realität Erfahrungen; […] sie lernen […], daß [sic!] die Wörter und sprachlichen Formulierungen, mit denen sie durch ihre Umwelt konfrontiert werden, etwas bezeichnen, daß [sic!] sie eine Bedeutung haben. […] Die Begriffsbildung ist ein produktiver – nicht reproduktiver! – Akt, zu dem der kreative Umgang mit den Elementen der eigenen Wahrnehmung konstitutiv hinzugehört.“ (Steinmüller 1981, S. 84). Gleichzeitig schafft die Produktion des Instrumentes in einer Gruppe mit mehreren Kindern vielfältige Gesprächsanlässe.

Rahmenbedingungen:

  • Die folgende Projektplanung bezieht sich auf Kinder im Alter von 3-10 Jahren. Diese große Altersspanne haben wir bewusst gewählt, da ältere Kinder den jüngeren Kindern helfen können. Ziel des Projekts ist es, dass die Kinder in einen Austausch kommen, auch Interaktion genannt. Der Ansatz der interaktionistischen Theorie besagt, dass Kinder sich im gemeinsamen Erforschen und im Austausch darüber die Welt aneignen (vgl. Reichert-Garschhammer/Kieferle 2011, S. 88).
  • Die Anzahl der Kinder ist von der persönlichen Zielsetzung abhängig. Soll ein intensiver Austauschprozess entstehen und auf die Interessen der Kinder eingegangen werden, so ist ein ausreichender Betreuungsschlüssel notwendig, wie beispielsweise ein/e Betreuer/in für drei Kinder.

Sollen möglichst viele Kinder an dem Projekt teilnehmen können, fällt der intensive Dialog weg, da während des Projekts auf mehr Kinder eingegangen werden muss. Ziel ist es dann, möglichst viele Kinder mit in die Projektplanung und Durchführung einzubeziehen. Die Kinder lernen hierbei selbstständig zu planen (vgl. Schäfer/van der Beek 2013, S.55).

  • Das Projekt kann, je nach Räumlichkeiten, sowohl drinnen als auch draußen angeboten werden. Benötigt wird nur ausreichend Platz, der sich an der Anzahl der Kinder misst. Platz bedeutet, dass ein Kind zum Beispiel einen eigenen Stuhl an einem Tisch hat (vergleiche Klassenzimmer) oder, wenn es sich auf dem Boden mit dem Material auseinandersetzt, dass es um sich herum Arm- und Beinfreiheit hat.
  • Als Materialien werden Joghurtbecher, Pappkarton, Haushaltsgummis, Nylonfaden, Küchenkrepppapier, Teekartons, Stifte, Scheren, Klebestifte, durchsichtiges Klebeband und eine ‚echte‘ Gitarre benötigt. Diese können von der Betreuerin selbst gesammelt werden. Möglich wäre aber auch ein Aushang in der Flüchtlingsunterkunft in verschiedenen Sprachen aufzuhängen. Darauf wird das Projekt benannt und kurz vorgestellt, mit dem Ziel, dass die Kinder, die an dem Projekt teilnehmen wollen, die Materialien selbst sammeln. Dieser Aushang sollte mit Bildern gestaltet werden, um die Kinder in ihren unterschiedlichen Alters- und Entwicklungsständen abzuholen. Außerdem müsste darauf notiert sein, dass die Materialien gesäubert mitgebracht werden sollen. Zudem dürfen keine spitzen oder gefährlichen Gegenstände dabei sein.
  • Zeitlich wäre es sinnvoll mindestens eine Stunde für die einzelnen Projektschritte einzuplanen. Je nach Interesse und Engagement der Kinder sollte die Zeit für die einzelnen Projektschritte ausgeweitet werden.

Projektablauf:

  1. Die Betreuerin bastelt vorab aus den vorgegebenen Materialien zwei bis drei unterschiedliche Gitarren. Zwei mögliche Vorgehensweisen mit Abbildungen der selbstgebastelten Gitarren finden Sie unter den folgenden beiden Links:

Diese Gitarren werden dann mitgebracht und in einem Sitzkreis in die Mitte gelegt. Daraufhin darf sich jedes Kind mit diesem Material sinnlich auseinandersetzen, d.h. die Gitarre anfassen, sich mit ihr bewegen, auf ihr spielen. Dabei entstehen auch Gespräche unter allen Beteiligten. Die Betreuerin sollte während des Prozesses auf die Signale der Kinder achten, d.h. die verbalen und nonverbalen Signale der Kinder wahrnehmen und aufgreifen. Diese stellen Anknüpfungspunkte für Dialoge dar (vgl. Best et.al. 2011, S. 104ff.).

  1. Im nächsten Schritt werden an dem darauf folgenden Treffen alle Materialien anschaulich und übersichtlich hingelegt. Die Kinder dürfen sich ihr Musikinstrument selbst basteln. Dabei ist darauf zu achten, sich selbst als Betreuer zurück zu nehmen und die Kinder ausprobieren zu lassen, d.h. den Kindern in ihrer Kreativität Freiraum und ihnen keine vorgefertigte Anleitung geben, jedoch als Unterstützung bei möglichen Schwierigkeiten präsent sein. Eine Orientierung für das eigene pädagogische Handeln kann hierbei die Reggio-Pädagogik sein; hier heißt es u.a., das „Kind will durch Experimente, durch Versuch und Irrtum, durch das Ausloten von Grenzen seine alltagspraktische und soziale Handlungskompetenz erweitern“ (Knauf 2005). Es ist auch auf den Entwicklungsstand der Kinder zu achten, ein Kind im Alter von drei Jahren braucht im Umgang mit Schere und Klebestift beispielsweise mehr Hilfe als ein zehnjähriges Kind.

Dieser Bastelprozess darf gerne 3-4 Einheiten dauern. Die tatsächliche Dauer ist aber am Interesse und Engagement der Kinder festzumachen. Es kann auch sein, dass die Kinder immer wieder ihre Instrumente ausprobieren, vielleicht gemeinsam darauf spielen möchten. Diese Auseinandersetzungen sollen unterstützt werden. Sie sollen aber nicht als Abschluss dieses Projektschrittes interpretiert werden. Es ist durchaus möglich, dass die Kinder im nächsten Treffen mit neuen Ideen zur Gestaltung ihrer Bastelarbeit kommen und diese verwirklichen möchten.

  1. Als letzter hier vorgestellter Projektschritt wird das Vorstellen einer ‚echten‘ Gitarre angeführt. Die Vorstellung einer ‚echten‘ Gitarre ist bewusst zum Schluss gewählt, um mögliche Frustrationspotenziale, gar nicht erst entstehen zu lassen. Mögliche Frustrationspotenziale könnten sein, eine ‚echte‘ Gitarre nicht nachbasteln zu können.

Außerdem können das Basteln einer eigenen Gitarre und das anschließende Spielen auf einer ‚Echten‘ die Kinder dazu anregen über den Prozess des Herstellens, über mögliche frühere Berührungspunkte mit Gitarren und das jetzige Erleben zu sprechen. Schließlich sollen die Kinder selbst auf der ‚echten‘ Gitarre spielen dürfen.

Eine Weiterführung dieses Projekts könnte so aussehen, dass beispielsweise ein/e Musikpädagoge/in eingeladen wird, um mit den Kindern auf ihren eigenen Instrumenten zu spielen.

Wichtig ist, dass Sie das Projekt so gestalten, dass die Interessen und Bedürfnisse der beteiligten Kinder aufgegriffen werden können. Die Kinder sollen die Möglichkeit erhalten sich im Kontext eines kreativen Prozesses untereinander, aber auch mit den das Projekt begleitenden Erwachsenen, austauschen zu können. und in einen sprachlichen Austausch zu gelangen. Daher ist es nicht wichtig, ob die Kinder eine Gitarre, ein anderes Instrument, ein Tier, ein Gebäude oder Ähnliches basteln, sondern das, was für sie aktuell persönlich bedeutsam ist. Viel Spaß bei der Planung und Umsetzung!

Literaturverzeichnis:

  • Best, Petra / Laier, Mechthild / Jampert, Karin / Sens, Andrea / Leuckefeld, Kerstin (2011): Dialoge mit Kindern führen. Die Sprache der Kinder im dritten Lebensjahr beobachten, entdecken und anregen. Herausgegeben von der Baden-Württemberg Stiftung. Berlin, Weimar: verlag das netz
  • Brockenschnieder, Franz-J./Ullrich, Wolfgang (2009): Reggio-Pädagogik auf     einen Blick. Einführung für Kita und Kindergarten. Freiburg im Breisgau: Herder.
  • Knauf, Tassilo (2003): Projekte in der Reggio-Pädagogik. In: Textor, Martin (Hrsg.). Würzburg: Institut für Pädagogik und Zukunftsforschung (IPZF). URL: http://www.kindergartenpaedagogik.de/1067.html. Zugriff am 16.01.2016.
  • Knauf, Tassilo (2005): Reggio-Pädagogik: kind- und bildungsorientiert. In: Textor, Martin (Hrsg.). Würzburg: Institut für Pädagogik und Zukunftsforschung (IPZF). http://www.kindergartenpaedagogik.de/1138.html. Zugriff am 16.01.2016.
  • Reichert-Garschhammer, Eva / Kieferle, Christa (Hrsg. 2011): Sprachliche Bildung in Kindertageseinrichtungen. Freiburg im Breisgau: Herder Verlag.
  • Schäfer, Gerd E./von der Beek, Angelika (2013): Didaktik in der frühen Kindheit. Von Reggio lernen und weiterdenken. Weimar und Berlin: verlag das netz.
  • Steinmüller, Ulrich (1983). Begriffsbildung und Zweitsprachenerwerb. Ein Argument für den muttersprachlichen Unterricht. URL: https://www.daf.tu-berlin.de/fileadmin/fg75/ Begriffsbildung.pdf. Zugriff am 06.02.2016.